Wahlprüfsteine der Arbeitsgemeinschaft Gegenwartskunst im Brandenburgischen Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. (BVBK).

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die zugesandten Wahlprüfsteine.
Wir möchten sie folgendermaßen beantworten:

Wenn der Status und die Rolle, welche ein Gemeinwesen der Kunst beimisst, zubilligt und ermöglicht, ein Indikator für dessen Zivilisationsniveau ist – dann sieht es in Potsdam traurig aus.
Die Landschaft zeitgenössischen Kunstschaffens wird von großen Gesten verschattet, die sich sehnsuchtsvoll dem kulturellen Erbe vergangener Epochen zuwenden.DIE aNDERE ist gegen den übermäßigen Verzehr dieser Konservenkost und will es der Kunst hier etwas leichter machen. Potsdam ist eine Kleinstadt. Und es gibt Menschen, die ihr dazu noch einen entsprechenden Horizont aufnötigen: Hier gilt der Grundriss der Barockzeit als anstrebenswerter Idealzustand für die Stadt im 21. Jahrhundert. Hier haben die höchsten Gebäude Kirchen zu sein. Hier zeigt man begeistert Postkarten aus der Kaiserzeit herum.

Die höchsten Ausgaben, der höchste Zeitaufwand und die größten kreativen Leistungen werden hier geleistet, um Vergangenes zu kopieren.
Der Rückgriff auf alte Ideen ersetzt die Suche nach neuen. Moderne Architektur gilt als Bedrohung für Schönheit und Kultur. In einer solchen Atmosphäre wird das Kunsthandwerk höher geschätzt als die Kunst.

In mehrfacher Hinsicht liegt Potsdam im Schatten Berlins.
Für die Hauptstadt erfüllt Potsdam eine Funktion. Schön ist es hier. Fast niedlich. Und so ruhig. Auf der anderen Seite ist man fasziniert von der strahlenden, selbstvermarkteten Kunstaura und dem urbanen Knistern des großen Nachbarn. So was will man hier auch – wenigstens ein bisschen. Das Ergebnis heißt dann Erlebnisquartier und wartet noch auf seine Zielgruppe.

Wir begreifen Kunst als utopisches Moment, als Möglichkeit.
Die Frage nach der Kunst gerät zu einer Frage nach dem ihr zur Verfügung stehenden Raum. Potsdams Antwort fällt bitter aus. Fortwährend wird hier Raum ästhetisch umgewertet, verknappt, verteuert und letztendlich utopisch versiegelt. Kunst in Potsdam teilt so das Schicksal vieler Lebensbereiche, die an die gesellschaftliche Peripherie gedrängt werden, während die Stadt selbst zu einem pittoresken Bild gerinnt.

DIE aNDERE setzt sich für ein Klima ein, in dem mehr Kunst möglich ist. Wir möchten Räume zum Experimentieren und Ausprobieren, statt einer langweiligen Protz- und Vernissagen-Kultur.
Wir werden uns einsetzen für:

  • einen Kunstpreis/ein Kunststipendium in Potsdam
    Dabei möchten wir lieber künstlerische Prozesse in Form von Arbeitsstipendien fördern, als fertige Kunstwerke lediglich in einem white cube zu prämieren. Die Modalitäten können gern mit der AGK entwickelt werden.
  • Kunst am Bau
    Bei allen öffentlichen Bauaufträgen, auch in den städtischen Betrieben, sollen zwei – drei Prozent der Auftragssumme für bildende Kunst ausgegeben werden.
  • Atelierförderung
    Die Stadt Potsdam muss dringend mehr Arbeitsräume für bildende Künstler*innen zur Verfügung stellen. Aus unserer Sicht bietet sich das Gebäude der ehem. Volkshochschule (Dortustraße/Breite Straße) dafür an. Außerdem sollte sich die Stadt dafür einsetzen, dass die leer stehenden Räume in der Fachhochschule zumindest vorübergehend als Ateliers genutzt werden können.
    Auch unsere Mietpolitik verstehen wir als kunstpolitisches Instrument, Leben und Arbeiten in Potsdam zu fördern.
  • Sensibilisierung des Jobcenters
    Oftmals haben Mitarbeiter*innen des Jobcenters wenig Verständnis für die Lebenslagen von Künstler*innen. Kunst ist kein Geschäftsfeld mit dem Auftrag der Profitorientierung und darf nach unserer Auffassung nicht der Verwertungslogik des Marktes unterworfen werden. Der Abbau von Schikanen und der Verzicht auf sinnlose Vermittlungsgespräche und Schulungsmaßnahmen im Jobcenter ist aus unserer Sicht machbar und dringend nötig.
  • Tag der Kunst
    Intern diskutieren wir momentan die Möglichkeiten eines Tages der Kunst in Potsdam. Nicht um der Stadt aus freier Initiative heraus ein instrumentalisierbares, kunstpolitisches Feigenblatt zu verschaffen, sondern den städtischen Raum temporär in ein Podium zeitgenössischer, künstlerischer Positionen zu verwandeln. Außerhalb der kanalisierten Kunsträume, inmitten der gelebten Stadt – und vielleicht auch im Rahmen eines autofreien Wochenendes.